Nur Rechte verhindern Unrecht.
Der 17. Dezember wird weltweit als Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen begangen. Anlässlich dieses Aktionstages fordern die Selbstorganisation von SexarbeiterInnen und die Fachberatungsstellen in Österreich ein Ende der Diskriminierung und gesellschaftlichen Marginalisierung von SexarbeiterInnen.
Gewalt gegen SexarbeiterInnen äußert sich zwar auf der persönlichen Ebene, wird aber vor allem auch auf der strukturellen Ebene verursacht: durch die stigmatisierenden und diskriminierenden gesetzlichen Regelungen zur Ausübung der Prostitution und durch eine restriktive Migrationspolitik.
Sexarbeit ist in Österreich gesetzlich zwar erlaubt und steuerpflichtig, wird aber nach der gültigen Rechtsprechung als sittenwidrig angesehen. SexarbeiterInnen werden Pflichten aufgebürdet, ihre Rechte werden aber ignoriert und durch die gesetzliche Regelung und ihre Umsetzung ständig verletzt. Dazu gehören das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person (Art. 3, AEMR = Allgemeine Erklärung der Menschenrechte), das Recht auf Arbeit, freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen (Art. 23, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) und das Recht auf gleichen Schutz durch das Gesetz (Art. 7, Art. 3, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte).
Diese österreichische Doppelmoral ist Ausdruck einer gesellschaftlichen und politischen Diskriminierung von SexarbeiterInnen, die zu lebensgefährdenden Lebens- und Arbeitsbedingungen führt.
Die staatliche Kontrolle, Registrierung und Zwangsuntersuchung von SexarbeiterInnen widerspricht der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung und schafft eine diskriminierende und schikanöse Realität für SexarbeiterInnen. Willkürliche Kontrollen, Arbeitsverbote, Abschiebungen, Missachtungen des Datenschutzes, Verletzungen der Privatsphäre und beleidigende und herabwürdigende Behandlungen sind Ausdruck dieser gefährlichen Haltung, die den Schutz der Rechte von SexarbeiterInnen vernachlässigt.
Die politische Ignoranz ist inakzeptabel. SexarbeiterInnen sind Frauen, Männer und Transgender Personen, denen uneingeschränkt alle Menschenrechte zustehen.
Soweit eine Feststellung von no-racism.net.
Sexkauf zu verbieten erhöht Gewalt gegen Prostituierte
Wer Sexarbeit kriminalisiert, gefährdet jene, die sie anbieten: Diese Position, die österreichische Hilfsorganisationen seit Jahren vertreten, fasst eine Studie nun in Zahlen – in Auftrag gegeben wurde sie vom nordirischen Justizministerium. Dort nämlich wurde im Jahr 2008 der Kauf sexueller Dienstleistungen streng reguliert und 2015 komplett verboten. Die Auswirkungen dessen wurden von der Queens-Universität Belfast untersucht, nun liegen Ergebnisse vor.
In gut drei Jahren gab es zwei Verurteilungen von Freiern und fünf Verurteilungen wegen Menschenhandels zum Zweck der Prostitution, heißt es in der Studie. Und: Die Analyse von über 170.000 Werbeanzeigen zeigt, „dass die Gesetzgebung wenig Einfluss auf das Angebot und die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen hatte“. Tatsächlich sei sogar das Geschäftsvolumen der Sexarbeiterinnen gestiegen.
Damit einhergehend werden Prostituierte häufiger belästigt und stigmatisiert. Viele meinten, dass sie vermehrt Angst und Unbehagen bei ihrem Job spüren würden. In drei Jahren stieg die Anzahl der gemeldeten Übergriffe auf Prostituierte von drei auf 13 Fälle bei Belästigungen, von einem auf 13 bei sexuellen Belästigungen und von 10 auf 42 Fällen bei Drohungen.
Befragt wurden auch jene auf der anderen Seite, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Es zeigte sich, dass die Gesetzgebung nur eine „begrenzt abschreckende Wirkung auf das Kundenverhalten hatte„. So sagte über die Hälfte der Sexkäufer, das Verbot hätte nichts daran geändert, wie oft sie sich Sex kaufen würden. Im Bericht wird aber eingeräumt, dass es nicht die Gesetzeslage sein müsse, die für die vermehrten Gewalttaten gegenüber Sexarbeiterinnen verantwortlich ist. Es könne auch damit zusammenhängen, dass die Sexarbeit im Land steige oder dass Übergriffe zunehmend gemeldet werden.
In Deutschland wurden zuletzt Stimmen nach einem kompletten Sexkaufverbot laut: Mehrere Sozialdemokratinnen forderten das sogenannte nordische Modell. Es wird insbesondere in Schweden angewandt und hat zum Ziel, Sexarbeit so weit wie möglich einzudämmen. Aus Angst, dass diese Stimmung nach Österreich überschwappt, sprechen sich Beratungsorganisationen anlässlich des internationalen Tags gegen Gewalt an Sexarbeiterinnen am 17. Dezember für eine Entkriminalisierung der Sexarbeit und gegen Verbotsbestrebungen aus.
Unterstützt wird die Forderung von prominenten Beratungsstellen, darunter Lefö, eine Stelle für Migrantinnen, zu der auch die Polizei Sexarbeiterinnen schickt, die Opfer von Menschenhandel wurden, und vom Sexworker-Forum, in dem Sexarbeiterinnen sich austauschen.
Christian Knappik ist der Administrator des Forums und betreibt eine Hilfshotline, an die sich Frauen im Notfall wenden können. Auch wenn in Österreich derzeit keine Partei ein komplettes Prostitutionsverbot fordert, so „haben wir im Prinzip das schwedische Modell schon da“, sagt Knappik. In Vorarlberg etwa ist Prostitution zwar nicht verboten, aber ausschließlich in angemeldeten Bordellen erlaubt. Nur: Bisher wurde kein einziges Bordell genehmigt. „Natürlich haben wir in Vorarlberg illegale Prostitution“, sagt ein Sprecher des Landeskriminalamts Vorarlberg, „so wie auch im Rest des Landes“. Bei Gewalt gegen Sexdienstleisterinnen schreite man ein, so wie bei anderen Gewaltfällen auch. „Allerdings hatten wir in den letzten Jahren keinerlei Anzeigen von Sexdienstleisterinnen“, so der Sprecher.
„Überall, wo ein massives Verbot herrscht, ist die Szene irrsinnig hart“, sagt Interessenvertreter Knappik. „Dort haben es Frauen noch schwerer, weil sie erpressbarer, angreifbarer und wehrloser sind, wenn sie nicht zur Polizei gehen können.“ Ausbeuter oder auch Scheinpolizisten, also Personen, die fiktive Strafen aussprechen würden, hätten dort größere Chancen. Denn wenn eine Frau illegal in der Sexarbeit arbeiten müsse, könne sie nur schwer Anzeige erstatten, so Knappik.
Die AG Prostitution im Bundeskanzleramt schätzte die Zahl der Sexarbeiterinnen im Land zuletzt auf 6.000 bis 7.000. Knappik geht von etwa 10.000 aus, weil die Regulierung sie in die Illegalität drängen würde.
In einem Positionspapier von Maiz, einem autonomen Zentrum von und für Migrantinnen – auch dieses unterstützt die Forderung der Organisationen nach Entkriminalisierung – warnt man davor, Diskussionen über Zwangsprostitution, Menschenhandel und Gewalt zu vermischen. Diese Gleichsetzung würde oft die Forderung nach einem generellen Verbot nach sich ziehen. Wichtig sei, gegen eine Viktimisierung von migrantischen Sexarbeiterinnen aufzutreten. „Unsere Erfahrung zeigt, dass die weitaus überwiegende Mehrheit von Sexarbeiterinnen selbst entscheidet, in die Branche einzusteigen, unabhängig davon, welche Beweggründe letztendlich dafür ausschlaggebend sind“, heißt es in dem Papier.
In Wien kritisieren NGOs, dass Prostitution lediglich aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt worden sei. Das Anbieten sexueller Dienstleistungen auf der Straße, also das Anbandeln auf dem Strich, ist seit einer Gesetzesnovelle 2011 nur noch in recht entlegenen Gegenden erlaubt, etwa an der Brunner Straße in Liesing und an der Brünner Straße in Floridsdorf. Dort hätten Sexarbeiterinnen weder Schutz noch Infrastruktur, so der Tenor der Kritik.
Vatikankonferenz gegen Menschenhandel: Kein Land kann allein Erfolg haben
Derzeit tagt auch im Vatikan ein ausschließlich mit Frauen besetztes internationales Forum zum Kampf gegen Menschenhandel. Etwa 50 Richterinnen und Staatsanwältinnen hauptsächlich aus Afrika sprechen über Zwangsarbeit, Prostitution und Organhandel und erörtern ihre Erfahrungen und mögliche Gegenstrategien. Das Thema ist ernst und liegt auch dem Papst erklärtermaßen sehr am Herzen: Die Armut in Afrika bringt gravierende Verstöße gegen die Menschenrechte hervor. Zu unterschiedlichsten Zwecken werden Menschen verkauft und transportiert. Frauen und Kinder sind besonders betroffen.
Die Problemlage ist allerorts komplex: Menschenhandel ist verknüpft mit Migration, mit Formen der modernen Sklaverei, bedingt durch Armut und Perspektivenlosigkeit. Kinder werden als Haussklaven, Minen- oder Landarbeiter weitergereicht – oder noch zusätzlich in die Prostitution gezwungen. Dabei zeigt sich hier, wie dort, dass nur eine internationale Kooperation dem Treiben Einhalt gebieten kann. Denn kein Land kann alleine erfolgreich sein im Kampf gegen Menschenhandel und die Formen der modernen Sklaverei – denn diese finden sich in jedem Land dieser Welt.
Quellen: Wikipedia, no-racism.net, Der Standard, vaticannews.va