Migration und Menschenhandel

Arbeitsausbeutung und Menschenhandel in Europa

Korosec Lukas, Projektreferent SDS

 

Nur in Ausnahmefällen verlassen Menschen freiwillig ihre Heimat. Denn MigrantInnen müssen neben anderen Hindernissen mit zwei schwierigen Herausforderungen kämpfen: Zum einen mit der Problematik der nötigen Finanzmittel für den Migrationsprozess selbst, zum anderen mit dem Mangel an Sozialkapital, denn oftmals fehlt es den Menschen für eine erfolgreiche Emigration sowohl an Wissen als auch an wichtigen Kontakten und Netzwerken. Im Zuge der Auswanderung sind viele MigrantInnen zusätzlich gefährdet Opfer von Menschenhandel zu werden. Besonders Migranten mit ärmlichem sozioökonomischem Hintergrund und mit niedriger Bildung sind geneigt Opfer von Menschenhändlern zu werden. Dabei zwingt allein die Tatsache der begrenzten Wahlmöglichkeit in der Heimat viele Menschen gewissermaßen dazu das Risiko der Auswanderung einzugehen.

Ein rumänischer Bauarbeiter in Ungarn erzählt beispielsweise: „Ich habe in der Stadt in einer Traktorenfabrik gearbeitet. Ich war ein guter Arbeiter für zehn Jahre, und dann… aus! Ich wurde entlassen und dann hatte ich nichts mehr zu tun… Glauben Sie, ich bevorzuge es hier zu sein, mir ein Zimmer mit fünf oder sechs Männern zu teilen, als Zuhause zu sein, wo ich das Zimmer nur mit meiner Frau teile? Niemand verlässt die eigene Familie aus freiem Willen. Man wird durch Hunger und Armut dazu gezwungen!“

Die Motive die eigene Heimat zu verlassen sind weitläufig und divers. Zu den Gründen warum Menschen auswandern zählen u.a. Diskriminierung, Korruption, politische Instabilität und ethnische Konflikte im eigenen Land. Menschenhändler nützen die schwierige Lebenssituation der Menschen in deren Heimatregionen aus. Herkunftsländer, in welchen ein großer Teil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, sind vom Menschenhandel besonders stark betroffen. Folgende Länder zählen hierbei zu den primär angesprochenen Herkunftsländern: Albanien, Weißrussland, Bulgarien, Moldawien, Rumänien und die Ukraine.

Forschungsergebnisse zeigen auf, dass MigrantInnen, die bereits am Beginn ihrer Auswanderung durch Vermittler getäuscht oder misshandelt wurden, am ehesten gefährdet sind, sich in der Situation der Zwangsarbeit wiederzufinden. MigrantInnen, die aufgrund ihres eigenen sozialen Netzwerkes eine Arbeit im Ausland finden, sind seltener von Zwangsarbeit betroffen. Die Anzahl privater Arbeitsagenturen, die sowohl für den Inlandsmarkt als auch für den Außenmarkt Arbeitskräfte rekrutieren, ist in den vergangenen Jahren in ganz Europa deutlich angestiegen. Die Grenzen zwischen legaler und illegaler Arbeitsvermittlung sind häufig verschwommen. Qualitative Analysen haben gezeigt, dass die Vermittler sowohl im legalen als auch illegalem Bereich ein überaus weites Netzwerk nutzen, um an ArbeiterInnen zu kommen. Eine weitere bestätigte Hypothese zeigt auf, dass die Wahrscheinlichkeit Opfer von Menschenhandel zu werden in Zusammenhang mit den Marktbeschränkungen (etwa geographische Entfernung sowie hohes Angebot) steigt. VermittlerInnen sprechen potentielle MigrantInnen in deren Dörfern oder Heimatstädten an und machen unrealistische Versprechungen. In vielen Fällen werden hohe Gebühren für die Reise oder die Unterkunft im Zielland berechnet.

Mehrfach werden MigrantInnen in eine Schuldenfalle gedrängt, besonders wenn sie über kriminelle Netzwerke illegal ins Ausland reisen. Die Kette der Ausbeutung beginnt meist mit einer Täuschung in Bezug auf die späteren Arbeits- und Lebensbedingungen im Zielland. Auch Drohungen sind keine Seltenheit. Wenn MigrantInnen den Betrug erkennen und sich dagegen wehren, müssen sie mit Sanktionen rechnen. Die Konsequenzen reichen von Drohungen, Schlägen und Vergewaltigungen bis hin zu Folter und Mord. Die Drohungen der TäterInnen sind bei illegalen MigrantInnen besonders wirksam. MigrantInnen sind ihren Peinigern folglich zumeist gänzlich ausgeliefert. Nur ihre finanzielle Unabhängigkeit wäre der Schlüssel zur Freiheit, doch genau dieser Weg ist für sehr viele Betroffene nicht realisierbar.

„Verbrechen sind nicht von ihren Opfern, sondern von den Kunden abhängig!“: Mit anderen Worten – gäbe es keine Nachfrage nach billigen Arbeitskräften und Sexarbeiterinnen, so gäbe es auch keine Fälle von Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution. Neben der Ausbeutung in der Prostitution sind folgende Bereiche besonders von der Arbeitsausbeutung betroffen: Baugewerbe, Landwirtschaft, Textilindustrie, Gastgewerbe und Hausarbeit. Illegale Arbeit benötigt aber nicht immer Gewalt und Zwang. Man findet ebenso illegale Arbeitsverhältnisse, in welchen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in beidseitigem Einverständnis in einem Arbeitsverhältnis zueinander stehen.

Der Inhalt dieser Abhandlung ist dem Werk „Forced labour and trafficking in Europe“ von Beate Andrees (ILO 2008) entnommen.

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