Österreich als Paradies für Menschenhändler
Korosec Lukas, Projektreferent SDS
„Österreich ist mittendrin im Menschenhandel“, sagt Oberst Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung des Menschenhandels, in einem Pressebericht Anfang des Jahres. Deshalb weisen die salvatorianischen Gemeinschaften mit zwei Info-Aktionen in Wien, am 17. Oktober am Michaelerplatz und am 21. Oktober vor der Donaucitykirche, in besonderer Weise auf das Thema hin.
Mehrheit der Opfer werden in der Sexindustrie ausgebeutet
Die meisten Betroffenen von Menschenhandel in Österreich sind Frauen und minderjährige Mädchen, die zur Prostitution gezwungen werden. Die überwiegende Mehrheit der Prostituierten arbeitet keineswegs freiwillig in dieser Szene. Eine Wiener NGO schätzt, dass gerade eine von zehn Frauen diese Tätigkeit ausübt, ohne aufgrund von Drohungen oder Gewalt dazu genötigt zu werden. Wenn ein so genannter Freier den Dienst einer Prostituierten in Anspruch nimmt trifft er nach dieser Statistik folglich mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 90 % auf eine Zwangsprostituierte. SOLWODI Österreich hat mit Ende des Jahres 2012 in Wien eine Schutzwohnung für Opfer von Zwangsprostitution eröffnet und seither vor allem hochschwangere Frauen oder Mütter mit Kleinkindern aufgenommen. Sr. Patricia Erber SDS, Obfrau von SOLWODI Österreich, sieht in der Zwangsprostitution eine Menschenrechtsverletzung und kritisiert, dass Frauen in Europa und in anderen Ländern der Welt in derart extremer Armut, oft mit wenig Schulbildung und ohne Chance auf einen Arbeitsplatz, leben und so gezwungen werden ihren Körper zu verkaufen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen. Andere Betroffene von Menschenhandel werden zur Bettelei gezwungen oder als Hausdienerinnen ausgebeutet.
Nur selten kommt es zu Anzeigen oder Verurteilungen
Tatsache ist, dass Opfer nur selten eine Anzeige bei der Polizei machen. Zu groß ist deren Furcht vor der Rache der Täter. Allzu oft werden nämlich nicht nur sie, sondern auch deren Familienangehörige im Ausland von der Tätergruppe überwacht und bedroht. Betroffene werden meist aus Rumänien, Bulgarien oder anderen Ländern, wo insbesondere Frauen wenig berufliche Chancen haben, mit falschen Versprechungen in den Westen gelockt, um diese dann im Zielland zur Prostitution zu zwingen. Menschenhändler übernehmen häufig die Reise- und Visakosten der späteren Opfer, um diese nachher aufgrund deren Schulden unter Druck zu setzen und zur Prostitution zwingen zu können.
Viele Betroffene in Österreich sind MigrantInnen
In Österreich werden die Betroffenen in vielen Fällen nicht als Opfer von Menschenhandel erkannt. Man sieht eher die „illegale Fremde“ oder das „Mitglied einer Schlepperbande“ als das Opfer von Menschenhandel. Der Wandel von einer fremdenrechtlichen Perspektive hin zu einer menschenrechtlichen Perspektive wäre nach Univ. Prof. Dr. Manfred Nowak, wissenschaftlicher Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte, in Österreich dringend notwendig. Nur so bestärkt man den Mut der Opfer zu einer Aussage. Man darf nicht vergessen, dass die Mehrheit der registriert arbeitenden Prostituierten, nämlich zwischen 85 und 90 %, MigrantInnen sind. Die Verbindung zur obigen Statistik in Bezug auf den Prozentsatz der Zwangsprostituierten fällt einem hier rasch ins Auge. Wenn allerdings die Aussichten auf eine Verurteilung der Täter, auf eine Beschäftigungsbewilligung oder einen Aufenthaltstitel in Österreich derart gering sind, dann ist es nur verständlich, dass die Betroffenen auch weiterhin im Untergrund allzu einfach ausgebeutet werden können, denn kein Opfer wird bei solchen Rahmenbedingungen die Polizei kontaktieren.
Österreich braucht mehr Beamte für den Opferschutz
Es bleibt zu hoffen, dass sich die österreichische Regierung diesem Thema in Zukunft noch mehr widmet. Eine positive Änderung ist das Sexualstrafrechtsänderungsgesetz von 2013, womit versucht wird, den Schutz vor Sexualdelikten auszubauen. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre ein ausreichendes, festgelegtes Bundesbudget für den Kampf gegen den Menschenhandel. Es braucht dringend mehr Gelder und auch mehr Beamte für den Opferschutz im Inland.